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Das BISS Projekt

Einleitung

Als eine wesentliche Begründungslinie für die Legitimation des Schulsports wird seit jeher seine persönlichkeitsbildende Funktion angeführt. Obwohl die Sportpsychologie seit mehr als einem halben Jahrhundert versucht, dieses sportpädagogische Postulat empirisch zu belegen, konnten bislang keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen schulsportlicher Aktivität und Persönlichkeitsentwicklung nachgewiesen werden. Die letzte Dekade hat in der deutschsprachigen Sportpsychologie Fortschritte in der Bearbeitung der Thematik "Sport und Persönlichkeitsentwicklung" gebracht und hat (zumindest auf theoretischer Ebene) zu mehr Konsistenz geführt. Bei der empirischen Umsetzung der relativ komplexen Ansätze sind in vielen aktuellen Studien allerdings noch Forschungsdefizite erkennbar, zudem sind kaum empirische Studien zum Schulsport zu finden.


Methode

Um diesen Forschungsdefiziten zu begegnen, wurde der Frage nach der Wirkung von Schulsportinszenierungen auf die Persönlichkeit in der geplanten Untersuchung mittels eines theoretisch-methodisch neuartigen Forschungsdesigns nachgegangen. Vor dem Hintergrund einer dynamisch-interaktionistischen Perspektive wurden in systematischer Weise Einflüsse schulsportbezogener Interventionen auf die Selbstkonzeptentwicklung von Schülerinnen und Schülern im Alter zwischen 11 und 12 Jahren untersucht. 17 Mittelstufenklassen mehrerer Berner Primarschulen haben hierfür im Rahmen einer quasi-experimentellen Längsschnittstudie während einem Schuljahr zwei Treatmentphasen à 10 Wochen durchlaufen, die theoriegeleitet entwickelt wurden und sich durch spezifische Sportaktivitäten und Inszenierungsformen auszeichnen. Vor jedem und im Anschluss an jeden Interventionsteil (Module: Spiel, Wagnis, Leistung) wurden verschiedene Aspekte des Selbstkonzepts sowie (mit Blick auf differentielle Fragen) die aktuelle Lebenssituation der Schülerinnen und Schüler erhoben. Als Vergleichsgruppe wurden sechs Mittelstufenklassen in die Studie miteinbezogen, die einen lehrplanorientierten Sportunterricht ohne spezifische Auflagen in Bezug auf Lernziele und Unterrichtsgestaltung durchführten.


Ergebnisse und Diskussion

Die Befunde zeigen, dass spezifische Facetten des Selbstkonzepts von Schülerinnen und Schülern durch persönlichkeitsfördernden Sportunterricht positiv beeinflusst werden können. Dabei ist entscheidend, dass die Gestaltung des Unterrichts spezifisch auf die anzusteuernde Selbstkonzeptfacette ausgerichtet ist. D.h. Sportunterricht hat nicht per se positive Wirkungen auf das Selbstkonzept, sondern es bestimmt die Art der Inszenierung über das Gelingen der Massnahme. Vergleicht man den Unterricht in den Experimentalklassen mit jenem der Kontrollklassen, ist bezogen auf die Inhaltsauswahl kein bedeutender Unterschied auszumachen: Themen wie Spielentwicklung, Geräteturnen, Klettern und Fallen, Ausdauertraining oder Hochsprung finden wir entsprechend den saisonalen Empfehlungen und Lehrplanvorgaben für fünfte Klassen auch in den Sportlektionen unserer Kontrollklassen. Zentrale Erfahrungsdifferenz zwischen Schülerinnen und Schülern der Interventions- und Vergleichsgruppe war der Aspekt der bewussten Auseinandersetzung (a) im Sinne einer Selbst- und Fremdbeobachtung des eigenen Leistungsvermögens und der eigenen Leistungsentwicklung, (b) mit Erfahrungen in Gruppenprozessen und/oder (c) mit Angst in Wagnissituationen. Dieser konsequent geförderte reflexive Überbau der Sportlektion - in Form von Feedbackgesprächen zwischen Schülerinnen und Schülern und der Lehrkraft, unter den Schülern oder im Protokollieren der individuellen Lernentwicklung und deren Bewertung im Lernjournal - vermag wesentliche Effekte der Studie zu erklären.